Das Geschäft mit dem Traum vom Profi-Fußball

Leere Versprechungen, Abzocke und Hintertürchen: Spielerberater genießen einen schlechten Ruf. Mitten im Haifischbecken: Jasmina Čović.

Es ist nicht überliefert, ob Pini Zahavi in diesem Jahr vom FC Bayern München eine Glückwunschkarte zum 25-jährigen Jubiläum als Spielerberater erhalten wird. Die Chancen dürften allerdings nicht allzu gutstehen. Als geldgierigen Piranha hatte Uli Hoeneß den Israeli 2020 betitelt, dem FC Bayern drohte zu diesem Zeitpunkt der ablösefreie Abgang von Abwehrspieler David Alaba, der von eben jedem Zahavi vertreten wurde. Und knapp zwei Jahre später war es wiederum Zahavi, der, will man Hasan Salihamidzic Glauben schenken, Robert Lewandowski den Kopf verdrehte und den Unmut der Münchner auf sich zog.

Spielerberater – ein nicht geschützter Beruf. Bis vor kurzem genügten wenige Hundert Euro, ein Führungszeugnis und eine Unterschrift um als Spielerberater tätig werden zu können. In solch einem lückenhaften System sind schwarze Schafe vorprogrammiert und Jasmina Čović hat sie kennengelernt.

Die 29-jährige Kroatin betreibt seit 2015 mit Brian Eylert die Women’s Football Agency in München und Frankfurt am Main. Gemeinsam betreuen die beiden 30 Spielerinnen, darunter Tanja Pawollek, Laura Benkarth, Laura Freigang oder Ana-Maria Crnogorcevic sowie die ehemalige Welttorhüterin Nadine Angerer, Weltmeisterin Simone Laudehr und Ali Krieger. Zu den täglichen Aufgaben von Čović gehört dabei nicht nur, die Spielerinnen von A nach B zu transferieren. Einige der Klientinnen werden darüber hinaus auch in Karriere- und Marketingfragen beraten und betreut, wie beispielsweise Nationalstürmerin Freigang. Hier ist Čović auch in die Auswahl der Sponsoren involviert.

Und wie schafft man es, bei all den verlockenden Angeboten abseits des Platzes den Fokus auf dem Sport zu haben? Eine schwierige Aufgabe findet Čović, denn „es ist tatsächlich so, dass einige Spielerinnen über die Sponsorenverträge mehr Geld verdienen als im Verein“. Doch Geld alleine ist nicht alles. Im Falle von Laura Freigang wurde potentiellen Geldgebern „von Anfang an gesagt, dass sie in erster Linie Fußballerin ist und nicht Marketingobjekt.“

Als Čović ihre Beratertätigkeit startet, waren gut dotierte Sponsoringverträge noch Utopie und bestenfalls Gedankenspiele. Ihren ersten Transfer wickelt Čović mit 21 Jahren beim damaligen Bundesligisten FF USV Jena (heute Carl-Zeiss Jena) ab. Während ihres Sportmanagement und Wirtschaftsstudium absolviert Čović ein Praktikum beim Verein als eine ungewöhnliche Anfrage an sie gerichtet wird: Christina Julien bittet sie darum, eine befreundete Spielerin aus Kanada nach Deutschland zu vermitteln. Gesagt, getan. Ohne Vorkenntnisse wälzt sich Čović durch die Regularien, recherchiert Kontaktdaten von Trainern und Sportdirektoren, betreibt Kaltakquise und geht sogar in Vorleistung als sie den Flug für Ihre erste Klientin vorstreckt und Bryana McCarthy von Frankfurt in den Schwarzwald chauffiert. Beim SC Sand kommt die Abwehrspielerin schließlich unter Vertrag und Čović erhält ihre erste Provision als Spielerberaterin.

Apropos Geld: Kann man als Spielerberaterin vom Frauenfußball leben? Die Antwort lautet: Vielleicht. Čović präzisiert: „Wir verdienen unser Geld mit dem Brutto Grundgehalt der Spielerinnen, also das, was sie wirklich an Grundgehalt monatlich erhält ohne Bonuszahlungen, die fließen da nicht mit rein. Und davon erhalten wir einen bestimmten Prozentsatz.“ Die zu Beginn ihrer Karriere jüngste und einzige Spielerberaterin im Profi-Fußball spricht offen über das Business und nimmt dabei kein Blatt vor dem Mund. „Ich finde es unheimlich wichtig, dass die Leute auch wissen, wie ein Berater arbeitet und, dass nicht alle Berater schlecht sind.“ Eine Transparenz und Ehrlichkeit, die in der Branche offenbar selten an den Tag gelegt wird. Čović berichtet aus dem Nähkästchen.

Es gibt natürlich auch die andere Seite, die modernen Menschenhändler. Was ich da schon teilweise von Spielerinnen für Geschichten gehört habe, da stellen sich einem die Nackenhaare. Es ist ganz übel. Da verleiht beispielsweise die Spielerin das Auto ihrem Berater und der haut damit ab und meldet sich nicht wieder. Oder vor kurzem, das habe ich von einer Bekannten mitbekommen, sollte ein Transfer eingefädelt werden. 2.500 Euro Gehalt und der Berater möchte aber jeden Monat 500 Euro von der Spielerin haben. Das sind natürlich schon extreme Dinge, die da passieren und es gibt Spielerinnen, die auch nicht wissen, ob das normal ist.

Das Geschäft mit dem Traum vom Profi-Fußball. Eine Beschwerde- oder Beratungsstelle gibt es nicht. Generell ist Čović nicht gut auf DFB und FIFA zu sprechen. Der Weltverband hat zwar einige Veränderungen an dem Beraterstatus vorgenommen, grundlegende Standards definiert, eine Lizenzierungspflicht in Aussicht gestellt und zukünftig sollen auch Mehrfachvertretungen verboten werden. Doch Čović bleibt skeptisch und befürchtet weiterhin Hintertürchen und Machenschaften von Kollegen, Vereinen und Verbänden.

Jasmina Čović wirkt dabei resignierend. Sie ist mit Leib und Seele Spielerberaterin und für ihre Klientinnen 24 Stunden am Tag erreichbar. Und wenn Sie nicht gerade mit Nationalspielerinnen über Werbeverträge und Vereinswechsel diskutiert, organisiert sie bei einem Breitensportverein in München das operative Tagesgeschäft und sorgt somit für beste Voraussetzungen für die Talente von morgen und übermorgen. Kreisliga statt Champions League, ein willkommenes Kontrastprogramm.

Doch Čović legt auch in dieser Funktion den Finger in die Wunde. Sie berichtet davon, dass nach der erfolgreichen Europameisterschaft ihr Verein keine Trainer und keine freien Plätze für den Mädchenfußball habe. Der durch den Finaleinzug im Sommer erzeugte Hype droht schnell abzunehmen, wenn Mädchen und Jungs nicht wie Popp und Co. auf Torejagd gehen können. Ein Versäumnis, das Čović dem DFB zuschreibt – man sei schlicht nicht auf den Andrang vorbereitet gewesen.

Wie sieht die Zukunft des Frauenfußballs aus? Bei dieser Antwort tut sich Čović schwer. Beim Blick auf die bevorstehende Weltmeisterschaft in Australien und Neuseeland ist sie zwiegespalten. Eine sportlich erfolgreiche Nationalmannschaft könnte dem Profifußball weiteren Auftrieb geben. Auf der anderen Seite besteht die Gefahr der Überkommerzialisierung. Erschwerend kommt die Problematik der ungünstigen TV-Anstoßzeiten am Vormittag für die Europäer hinzu. Sofern überhaupt Einigkeit bei dem Poker um die TV-Rechte erzielt werden kann.

Ja, das liebe Geld. Es fließt mittlerweile auch bei den Fußballerinnen. Die Ablösesummen sprechen ein eindeutiges Bild, Beth England und Keira Walsh haben in wenigen Monaten (landesweite) Ablöserekorde erzielt. Wann wird der erste Millionentransfer bei den Frauen realisiert? Laut Čović wird das nicht mehr lange dauern. In zwei, drei Jahren rechnet sie mit einer siebenstelligen Ablösesumme. Und mit Lena Oberdorf vermutet die Spielerberaterin eine deutsche Spielerin als Rekordhalterin. Eine erfolgreiche Weltmeisterschaft würde den Marktwert Oberdorfs mit Sicherheit nicht schmälern. Und möglichweise weitere Piranhas anlocken.

Der Artikel erschien im März 2023 im Magazin FFUSSBALL. Fotos von Dirk Bruniecki